Empowerment von Buben? Was bringt das?

In gleichstellungsorientierten Prozessen finden sich wenige Männer und wenn von „Gender“ gesprochen wird, glauben viele an ein reines Frauenthema. Der Text zeigt, wie produktiv die Zusammenarbeit zwischen Frauen- und Männerorganisationen ist und die gemeinsame Auseinandersetzung von Geschlechterpolitiken ein wichtiger Baustein für Demokratieentwicklung ist.

Die parteiliche Mädchen/Frauenarbeit hat im deutschsprachigen Raum viel Bewusstsein geschaffen und wichtige Projekte erkämpft. Immer wieder wurde von Frauen auf den Umstand hingewiesen, dass auch die Arbeit mit Buben und Männern notwendiger wird. Aber eben besonders durch Männer, denn Erziehungsarbeit und -kompetenz hat kein Geschlecht. Historisch betrachtet, waren es in Europa ursprünglich Männer, die für „Zucht und Ordnung“ gesorgt haben. Ein pädagogischer und gesellschaftlicher Paradigmenwechsel hat in einigen Ländern wie Österreich dazu geführt, dass Erziehung zur Beziehungsarbeit wurde. Aber auch ökonomische Gründe und einseitige Geschlechtersozialisation sind in vielen Ländern die Gründe, warum vorwiegend Frauen sich um Heranwachsende kümmern.

Der Männlichkeitsforscher Paul Scheibelhofer beschreibt die Schwierigkeit: „Wenn man die Sozialisation betrachtet, werden Mädchen noch immer von früh an darauf trainiert, Gefühle wahrzunehmen, vor allem die Gefühle der anderen. Das Mädchen soll etwa herausfinden: Warum weint die Puppe? Ist sie müde? Hat sie Hunger? Auch die Frage: Was kann ich tun, damit es jemandem besser geht? Bei Buben werden andere Aspekte trainiert: Hinausgehen, Entdecken, Reparieren, Zerstören und Erfolge feiern. Insofern ist die Frage vielleicht: Wie gehe ich mit Spannung und emotional komplexen Situationen um? Kann ich es verarbeiten oder wandle ich es in Aggression um?“ (Kurier, am 6.8.2016)

In den 1980ern haben sich in Österreich die ersten Männerberatungen gebildet, damit Männer in „Identitätsfragen, Beziehungskonflikten, Trennungssituationen, in der Opfererfahrung als Jugendlicher oder als Mann, in der Auseinandersetzung mit der eigenen Gewalttätigkeit, als Mann in Arbeitswelt, in der Vaterschaft, Fragen zu Sexualität, Einsamkeit, Isolation, Sucht sowie Rechtsfragen“ (www.maenner.at), Unterstützung bekommen.

In den späten 1990ern wurden Burschen als Zielgruppe pädagogischer Arbeit identifiziert und so entstand – orientiert an den Konzepten der außerschulischen Jugendarbeit im deutschsprachigen Raum – die schulische Bubenarbeit. Der Verein poika wurde durch positiven Zuspruch und die Zusammenarbeit mit den Mädchen-/Frauenberatungseinrichtungen EfEU und Sprungbrett für Mädchen 2008 in Wien gegründet. Die Idee war (und ist) ergänzend zu den schon bestehenden Strukturen, einerseits zu erforschen, was Buben in ihrer (Geschlechts-)Identität positiv unterstützt und dadurch Räume zu eröffnen, wo sie die Möglichkeit bekommen, sich mit ihren Fragen und Problemen auseinanderzusetzen.

In der konkreten Arbeit wird in spielerischer und entspannter Atmosphäre über Themen ihrer Lebenswirklichkeit diskutiert: Rollenbilder, Liebe und Sexualität, Gewalt, Medien, Zukunft. Mit Hilfe von Bildern entstehen Gespräche über Zuschreibungen zu Geschlecht, wo wir über Anforderungen sprechen, die schwierig zu erfüllen sind. Was heißt es, stark zu sein? Wer bestimmt über meinen Körper? Wie gehe ich mit anderen in Konflikten positiv um? Womit bin ich als Bub konfrontiert, womit sind Mädchen konfrontiert? Womit Personen, die sich keinem der beiden Geschlechtern zuordnen möchten oder können?

Mit älteren Buben werden durchaus auch explizite Themen wie Pornographie und Delinquenz aufgegriffen. In der Arbeit mit jungen Männern mit Fluchterfahrung geht es zentral um Fragen des Zusammenlebens und den Umgang mit Konflikten, aber generell haben die Bubenarbeiter*innen von poika eine offene und lernende Haltung.

Seit vielen Jahren begleitet die Bubenarbeit die Frage der Nachhaltigkeit und ihren Beitrag als profeministische und feministische Arbeit. Es konnten Antworten in den Studien der kritischen Männerforschung gefunden werden, wo die Rollen von Männern als Partner in Gleichstellungsprozessen (Gender Equality) aufgezeigt wurden. Geschlechterhierarchie zeigt sich sehr stark im Beruf in einer Arbeitskultur, die nicht nur durch Strukturen, sondern auch durch die soziale Alltagspraxis von Männern – und auch von Frauen – getragen wird. Die Folgen dieser Kultur für Frauen, aber auch der Preis und Nutzen für verschiedene Männer stehen dabei im Mittelpunkt dieser Studien.

Durch laufenden Austausch und Diskussionen in verschiedenen Arbeitsgruppen mit anderen Organisationen aus dem Bereich der gendersensiblen Arbeit in Österreich aber auch international sowie der Auseinandersetzung mit Alltagsthemen gelingt es der Bubenarbeit, ein breites Spektrum an Bewusstseinsarbeit mit Menschen aus vielen Bereichen zu erzeugen. Und das Ganze immer mit einem kritischen und positiven Blick auf Geschlechterpolitiken.

Bubenarbeit kann in Workshops Räume eröffnen, wo es die Möglichkeit gibt, die eigenen Bilder von Menschen unterschiedlicher Geschlechteridentitäten und Lebensentwürfen zu hinterfragen. Buben sollen sich positiv und vorurteilsfrei in Beziehung zu anderen Menschen setzen können und die Qualitäten einer gleichberechtigten und gewaltfreien Partnerschaft und Kollegialität kennen. Sie können erfahren, wie wichtig die Versorgung eigener und anderer Bedürfnisse ist. Später haben sie als Väter vielleicht schon das notwendige Wissen, um ihr Kind unterstützend und identitätsstärkend zu erziehen. In der späteren Arbeit haben sie das Potenzial für Konfliktmanagement und diversitätsgerechtem Denken, sodass sie die Chancen und Möglichkeiten von Frauen als gleich wahrnehmen können.

Durch die Zusammenarbeit mit vielen Menschen wird der Erfahrungsschatz einer kleinen NGO immer größer und das soll auch andere Männer motivieren, Gleichstellungsprozesse zu unterstützen. Kooperation sollte vor Konkurrenz kommen und ein Gender Gap sollte der Vergangenheit angehören, denn Geschlecht alleine ist KEINE Kompetenz und Differenz sollte nicht trennend sondern ergänzend gelebt werden. So wie Bubenarbeit Mädchenarbeit ergänzt und in Zukunft hoffentlich nicht mehr notwendig sein wird, da Geschlechterhierarchien nur mehr als historische Gegebenheit in alten Gedichten verstanden wird.

Beim Bubenbeirat sind alle willkommen, die sich als Buben und junge Männer verstehen:

cis, inter* und trans Buben und junge Männer können beim Bubenbeirat dabei sein.

Was bedeutet „cis“, „inter*“ und „trans“?
Lies hier nach.

Wir verwenden das Sternchen * im Plural, weil es außerhalb von „Frau“ und „Mann“ andere Geschlechts-/Genderidentitäten gibt und wir zeigen möchten, dass wir alle Geschlechter meinen. Eine Weile haben wir das Sternchen auch bei „Bub*“ und „Mann*“ verwendet. Wir haben aber wahrgenommen, dass diese Schreibweise als diskriminierend empfunden wird. Daher haben wir uns entschieden, das * in diesem Fall nicht mehr zu verwenden.

Wir benutzen weiterhin das * im Plural des Nomens (z.B. Schüler*innen, Jugendarbeiter*innen), um nicht-binäre Identitäten sichtbar zu machen und auf die Konstruiertheit der Kategorie „Geschlecht“ hinzuweisen. In Texten, die wir von unseren Projektpartner*innen erhalten, wird die Schreibweise “Bub*/Mann*” von uns nicht verändert.